Volkstrauertag 2020

WIE BEREITS ANGEKÜNDIGT, KANN DIE FEIERSTUNDE ZUM VOLKSTRAUERTAG IN DIESEM JAHR NICHT WIE GEWOHNT MIT DEN ÜBLICHEN AKTEUREN UND TEILNEHMENDEN STATTFINDEN, DAFÜR BITTEN WIR UM VERSTÄNDNIS.

EINIGE WORTE MÖCHTE ICH DAHER AUF DIESEM WEGE AN SIE RICHTEN:

Liebe Sebronnerinnen, liebe Seebronner,

das Ende des Zweiten Weltkriegs ist 75 Jahre her. Für uns Heutige hat der Krieg einen festen Rahmen aus Jahreszahlen, er dauerte von 1939 bis 1945. Zwischen diesen beiden Daten steckt der Krieg. Danach kam der Frieden, in dem wir, zumal in den westlichen Demokratien, relativ gut leben. Wo wir den Anfang kennen und das Ende, dort verliert die Zeit dazwischen ihren Schrecken. Sie ist Vergangenheit. Nicht mehr als ein historisches Ereignis, das sich eintragen lässt in den Zahlenstrahl der jahrhundertelangen Menschheitsgeschichte. Man kann sich ihrer erinnern als etwas, das war und jetzt vorüber ist. Und weil es längst vorüber ist, stellt sich mehr und mehr die Frage: Warum sich noch erinnern? Die Ereignisse von damals an sein Inneres heranlassen? Und geht das überhaupt – so viele Jahre danach?

Ja, es ist so: In unser Gedenken am Volkstrauertag hat sich Gewohnheit eingeschlichen. Die Menschen, die den Terror der beiden Weltkriege und der NS-Diktatur am eigenen Leibe erleben mussten, werden immer weniger. Die meisten von uns wissen davon nur aus Geschichtsbüchern und Erzählungen. Doch der diesjährige Volkstrauertag durchbricht die Routine, mit der wir ihn sonst begehen: nicht nur in seinem äußerlichen Ablauf, der wegen der Corona-Pandemie so ganz anders sein wird als gewohnt. Die Pandemie konfrontiert uns auch mit Erfahrungen, die uns trotz aller Unterschiedlichkeit mit denen verbindet, die den Krieg erlebt haben. „Ich weiß, dass ein Leben im Krieg und eine Epidemie eigentlich nicht vergleichen sind“, schreibt ein Schüler im Höhepunkt des Lockdowns vom Frühjahr. Und fährt fort: „Aber ein bisschen Ahnung bekomme ich davon durch die jetzige Corona-Krise. Die leeren Regale im Supermarkt erinnern mich an die Knappheit an Lebensmitteln und vieler Waren während des Krieges. Und die gespenstische Atmosphäre auf den leeren Straßen und Plätzen lässt mich denken an die Ausgangssperren im Krieg, als die Menschen voller Angst in ihren Häusern saßen. Und sie waren ohnmächtig, weil sie einfach abwarten mussten, was auf sie zukommt so wie auch wir nicht wirklich etwas gegen das Virus tun können“.

Und noch mehr: Da wir nicht wissen, wie lange wir noch mit der Angst vor dem Virus leben müssen, werden wir an die Seite der Menschen gestellt, für die das Ende des Krieges ebenfalls im Irgendwann einer verhüllten Zukunft gelegen hat. Hunderttausende Emigranten, Verfolgte und Inhaftierte spekulierten: Geht es noch ein Jahr? Oder viel länger? Vielleicht ist es im Winter vorbei? Millionen Menschen in der gesamten zivilisierten Welt hofften auf ein Kriegsende. Und dann die bange Frage: Was kommt danach? Die bloße Rückkehr zur alten Ordnung, der Wiederaufbau der vertrauten Kulissen der Städte und Systeme? Oder bietet das Danach auch eine Chance zu Neuanfang und Umgestaltung? Die Antworten der Menschen waren sicher sehr unterschiedlich: Manche träumten davon, alles möge wieder so sein wie früher. Andere fragten sich: Wie konnte es soweit kommen? Und versuchten Zukunft so zu gestalten, dass sie weniger anfällig sein würde für Terror und Krieg. Ihnen haben wir es zu verdanken, dass wir bis jetzt in Frieden und Sicherheit leben durften.

Die Frage nach dem Danach stellt sich auch in der gegenwärtigen Krise. Sie stellt sich anders als am Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren. Die Opferzahlen sind Gott sei Dank nicht vergleichbar. Und nicht das Ausmaß an Zerstörung. Falsche Vergleiche würden das unendliche Leid, das die beiden Weltkriege und die NS-Ideologie hinterlassen haben, bagatellisieren. Und überhaupt: Das Corona-Virus ist kein Feind, sondern eine Bedrohung biologischer Natur. Und doch zeigt sich auch im Umgang mit ihm die ganze Zwiespältigkeit des menschlichen Wesens. Wie viel an Solidarität, an gegenseitiger Rücksichtnahme und konkreter Hilfe hat sich in den vergangenen Monaten gezeigt. Aber eben auch Egoismus, Uneinsichtigkeit und Aggression bis hin zur häuslichen Gewalt. Woran die Opfer von Gewalt und Krieg gemahnen, das hält uns auch die Pandemie vor Augen: Die Menschheit kann sich selbst der ärgste Feind sein; sie kann aber auch zur Freundschaft mit sich selber finden, sich mit sich selber anfreunden. Wo das gelingt, gehen Menschen gestärkt und verwandelt aus einer Krise hervor. Das ist mein Wunsch an Sie in diesen Tagen.

IHRE UTE HAHN
ORTSVORSTEHERIN


WIR WERDEN IN EINEM ETWAS ANDEREN RAHMEN, ABER DENNOCH IN WÜRDEVOLLER UND STELLVERTRETENDER FORM, FÜR DEN GANZEN ORT MIT EINER KRANZNIEDERLEGUNG DER TOTEN GEDENKEN UND FÜR DEN WELTWEITEN FRIEDEN BETEN

DANKE FÜR IHR VERSTÄNDNIS!

11.11.2020 - Verwaltungsstelle Seebronn


Zusätzliche Informationen und Dienste

Blick auf Dorf in blühender Landschaft